„Zuerst war es mehr ein Helfersyndrom“

Dieses Mal in unserer Rubrik "Einfach machen": Monika Schulz-Pusch

"Zuerst war es mehr ein Helfersyndrom"

Monika­ Schulz-Pusch – ihr Name ist eng mit der Sanierung des Gutshauses Mahlsdorf (Hultschiner Damm 333) und dem Museumsbetrieb der größten Gründerzeitsammlung Europas­ verbunden. Vielfach hat sie ihr Talent für Problemlösungen unter Beweis gestellt. Nun aktiviert die 68-jährige Geschäftsführerin und stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Gutshaus Mahlsdorf e. V. einen gleitenden Generationswechsel.

 

Liebe Monika, ich stelle mir vor, wie du an einem der Gründerzeittische den Gästen stilvoll und ruhig Tee einschenkst.

(Lacht). Im Gründerzeitmuseum bewirten wir nicht. Aber ich habe schon in der Gastronomie gearbeitet. In Prenzlauer Berg betrieb ich das Restaurant „Café Dodge“ mit amerikanisch-mexikanischer Küche. Einmal, das war 1996, hatte ich Charlotte von Mahlsdorf eingeladen. In meinem Restaurant und im Kiez kannten sie viele Leute und begegneten ihr wertschätzend.

 

Wie hast du sie kennengelernt?

Dazu gibt es eine Vorgeschichte. Parallel zum Restaurantbetrieb arbeitete ich damals im kaufmännischen Bereich einer Baufirma. Eines Tages war der Bauleiter verschwunden und ich sollte seinen Job für die Restaurierung eines Schlosses übernehmen.

 

Du wechseltest einfach so vom Büro zur Baustelle?

Ja. Ich tat es einfach nur, um zu helfen. Durch die Arbeit lernte ich den Berliner Historiker Jürgen Winkler kennen, der salopp gesagt ein paar Verrückte suchte, um in Mahlsdorf das Gründerzeitmuseum zu erhalten. Thematisch war ich nicht im Stoff, doch es meldete sich mein Helfersyndrom. Letztlich gehörten Jürgen Winkler und auch ich zu den acht Gründungsmitgliedern des Fördervereins.

 

War dir klar, was kommt?

Keineswegs. Ich war mal wieder naiv und habe nicht nachgedacht, sondern einfach nur gemacht.

 

EINFACH MACHEN, so heißt auch diese „Hellersdorfer“-Serie.

1997 siedelte Charlotte nach Schweden um. Kurz vor Abfahrt fiel ihr ein, dass der in Mahlsdorf verbliebene Teil der Sammlung, den soeben die Stadt Berlin gekauft hatte, im Gutshaus völlig ungesichert war, es gab keine Alarmanlage. Bis dahin hatte Charlotte im Gutshaus ja dauerhaft gewohnt.

 

Wurde dann eingebrochen?

Dazu kam es nicht, denn in den ersten Wochen bewachte ich selbst das Haus. Das nächtliche Knacken im Gebälk war mir unheimlich, aber Charlotte hatte immer gesagt: „Hier wohnen nur gute Geister“. Dieses Zitat schnappte zwei Jahrzehnte später mein fünfjähriger Enkel auf. Als er bei einer Führung dabei war, wollte ein Gast wissen, ob im Museum jemand wohne. Joran antwortete: „Ja, Charlotte. Aber es ist ein guter Geist.“

 

Das Museum ist sehr beliebt.

Im Gründungsjahr des Vereins vor 22 Jahren waren es etwa 2000 Besucher und 2018 ungefähr das Vierfache! Allein am ersten Sonntag im November zählten wir 80 Besucher bei mehreren Führungen und dazu am Abend 60 Besucher einer Filmvorführung.

 

Gibt es mehr Geld, wenn der Verein mehr Leistung bringt?

Die Vereinsmitglieder leisten einen hohen Anteil ehrenamtlicher Arbeit. Für die Führungen erhalten sie Honorare. Wir wollen auch  Studenten einsetzen, die in Fremdsprachen Führungen machen können. Vor allem die Studenten brauchen einen finanziellen Anreiz und bringen sich auf ihre Art ein. Zum Beispiel wurde unser Flyer von dem 16-jährigen Nicolas Csutor ins Englische übersetzt.

 

Auch dein Mann mag Charlotte, das Museum und das Haus.

Ja, Detlef ist von Beruf Elektriker und im Verein sehr aktiv. Vor zwölf Jahren heirateten wir – natürlich im Gründerzeitmuseum.

 

Ist das immer noch möglich?

Die Trauungen finden in Absprache mit dem Standesamt Marzahn-Hellerdorf statt. Während der Zeremonien erklingt eine unserer Musikmaschinen. Auf viele Gäste macht auch das Gebäude einen tiefen Eindruck.

 

Das Gebäude ist erst heute so ansehnlich und herausgeputzt.

Ja, vom abbruchreifen Gutshaus bis zum heutigen Kleinod war es ein langer Weg. Die Sanierung dauerte mehr als zehn Jahre und es war nicht leicht, dafür Geld zu bekommen. Dass ich etwa eine Million­ Euro auftreiben konnte, hätte ich mir selbst nicht zugetraut. Jeder Einzelne­ von uns Unterstützern und Freunden kann sehr stolz auf die Erfolge sein.

 

Was hat dich angetrieben?

Ich wollte nicht, dass schon wieder etwas den Bach runtergeht. Werner Jockeit vom Büro für Architektur & Stadtgeschichte und ich bildeten 2007 eine Zwei-Personen-Bauleitung und das lief prima.

 

Denkst du ans Aufhören?

Ich bleibe dem Museum bis zum Umfallen erhalten. Aber ich gebe die Organisation ab und mache wieder mit Vorliebe Führungen durch das Museum.

 

Ist das Haus jetzt durchsaniert?

Die größten baulichen Probleme sind gelöst, doch natürlich wird die Gebäudewerterhaltung fortgesetzt und auch museal geht es voran. Zum Beispiel wollen wir in einem Raum eine Bibliothek mit Charlottes Gründerzeitbüchern einrichten. Und es wächst noch immer ein wenig die Musikmaschinen-Sammlung um einige ausgewählte Exponate.

 

Wer kennt sich damit noch aus?

Die Sammlung mechanischer Musikapparate wartet kostenlos seit 22 Jahren unser Vereinsmitglied Horst Riesebeck. Einige Stücke hat er wieder zum Leben erweckt. Jetzt steht ihm ein junger Mann zur Seite, der später einmal Restaurationsarbeiten übernehmen könnte.

 

Wie wurde Charlotte berühmt?

Es wurden Bücher geschrieben und zwei Filme gedreht. Weltweit bekannt, gespielt in nunmehr 35 Ländern, wurde das Theaterstück „Ich bin meine eigene Frau“ von dem Amerikaner Doug Wright.

 

Was bewegte Doug Wright?

Er, ein Texaner, hatte Charlotte als junger Mann in Berlin persönlich kennengelernt und nahm später Kontakt zu mir auf. Eines Tages überraschte er uns mit  einer Premiere des Stückes in London. Das Theater war bis auf den letzten Platz besetzt und vor der Aufführung erhielt jeder Besucher eine Halskette aus Perlen. Die war typisch für Charlottes Outfit.

 

Eine Kette wie beim Charleston?

Zur Charleston-Zeit in den 1920er Jahren war die Gründerzeit schon vorbei. Obwohl Charlotte selbst erst nach der Gründerzeit geboren wurde, begeisterte sie sich für Möbel und Interieur und verstand sich als Dienstmädchen jener Stilepoche. Wenn sie die schönen, mühevoll zusammengetragenen Gegenstände sauber hielt, hatte sie meistens eine Kittelschürze an.