Vincent Kliesch hat das bislang erfolgreichste Buch des Jahres geschrieben
Mordsmäßig gut im Geschäft
Wer glaubt, Lesungen seien staubtrocken und nur etwas für hartgesottene Literaturfans, der hat Vincent Kliesch noch nicht erlebt. Wenn der 45-jährige Berliner auf Promo-Tour geht, ist das witzig, unterhaltsam und sogar ein bisschen lehrreich. Davon konnten sich Besucher der Mark-Twain-Bibliothek (Marzahner Promenade 55) Anfang Oktober bei der Vorstellung des Thrillers „Auris“ überzeugen. Gut gelaunt und in feinster Entertainer-Manier sorgte Kliesch für Lacher im Minutentakt. Ein paar Zeilen aus seinem Roman las er zwischendurch auch vor.
Zusammenarbeit mit Sebastian Fitzek
Nachdem er seinen abenteuerlichen Trip aus Zehlendorf ins ferne Marzahn kurz hatte Revue passieren lassen, spielte Kliesch zunächst ein Grußwort vom Popstar der deutschen Literaturszene, Sebastian Fitzek, vor. Denn „Auris“, das bislang erfolgreichste Taschenbuch des Jahres, ist ein Gemeinschaftsprojekt der beiden befreundeten Schriftsteller. Der eine, Fitzek, hatte die Idee zur Story und entwickelte sie als Hörspiel. Zeitgleich erschien der Roman von Kliesch.
Erzählt wird darin die Geschichte des forensischen Phonetikers Matthias Hegel, der Täter anhand ihrer Stimme und anderer Geräusche überführen kann. Mit dieser besonderen Gabe hilft er der Polizei dabei, Verbrechen aufzuklären. Nun sitzt der Profiler selbst hinter Gittern. Er hat einen Mord gestanden. Die Journalistin Jula Ansorge aber will nicht so recht an die Schuld des genialen Professors glauben. Für ihren True-Crime-Podcast beginnt sie im Fall Hegel zu recherchieren und bringt damit nicht nur sich selbst in Gefahr.
Ausflug in die Welt der Geräusche
„Wir haben drei Jahre an dem Buch gefeilt und fünf Fassungen geschrieben“, äußerte sich Kliesch bei seinem Gastspiel im Freizeitforum zur Entstehung von „Auris“ (lateinisch „Ohr“). Dabei wirkte sich die Zusammenarbeit mit Fitzek zwangsläufig auch auf seinen Schreibstil aus, so Kliesch. Am schweißtreibenden Tempo und den unvorhersehbaren Wendungen erkenne man ganz klar Fitzek: „Es geht bei ihm immer richtig zur Sache bis zur letzten Minute.“ Wohingegen Vincent Klieschs frühere Werke eher von Thomas Harris und den Hannibal-Lecter-Romanen inspiriert waren, in denen sich das Grauen deutlich langsamer einschleiche.
Während der gut zweistündigen Veranstaltung erfuhr das Publikum viel über das Buch, die Fortsetzungen (im Mai kommt Band 2 der Trilogie in den Handel) und die geplante Verfilmung von „Auris“. Außerdem tauschten sich Zuhörer und Autor über Misophonie aus – den Hass auf Alltagsgeräusche wie Fingerknacken oder das Kratzen von Kreide auf einer Tafel. Brüllend komisch wurde es, als Kliesch seine persönliche Hitliste der lustigsten Agathe-Bauer-Songs präsentierte. Gemeint sind damit Lieder, deren Textpassagen ganz häufig missverstanden werden. Zu den Klassikern dieser Verhörer zählen „Midnight Lady“ von Chris Norman, der plötzlich „Oma fiel ins Klo“ statt „Oh my feelings grow“ singt und ,,I’ve got the power‘‘ („Agathe Bauer“) von Snap.
Gastronom, Comedian, Bestseller-Autor
Auch einige Anekdoten aus seinem Privatleben gab der Autor zum Besten. Er habe schon als Kind gern geschrieben und bei Schreibwettbewerben Preise abgeräumt, entschied sich aber zunächst für eine Ausbildung zum Restaurantfachmann und arbeitete später als Stand-up-Comedian. Auf die Frage, wie man dazu komme, als Comedian Thriller zu schreiben, antwortete Kliesch, dass er schon immer Schriftsteller werden wollte und es durchaus Parallelen gebe zwischen einem Thriller-Autoren und jemandem, der Comedy mache. Denn beiden gehe es darum, eine spannende Geschichte zu erzählen, um mit dieser dann entweder Gänsehaut oder Lacher zu erzeugen.
Die Idee zu seinem ersten Roman „Die Reinheit des Todes“ (2010) kam Kliesch bei der Arbeit. Völlig genervt von einem miesepetrigen Restaurant-Besucher bemerkte er in Gegenwart seiner Kolleginnen: „Irgendwann schreibe ich ein Buch über einen Kellner, der die schlimmsten Gäste einfach ermordet.“ Eine Bemerkung mit Folgen: „Wir haben angefangen, während der Pausen über die Geschichte zu sprechen – das ging wochenlang. Irgendwann war alles so bunt und komplex, dass ich mich hingesetzt und alles aufgeschrieben habe.“