Diese Werke verstehe, wer will

Kurzweilige Kunstvermittlung durch das Labor M im Schloss Biesdorf

Diese Werke verstehe, wer will

Noch bis zum 13. Oktober wird im Schloss Biesdorf mit der Ausstellung „Klasse Damen!“ eine Werkschau Bildender Künstlerinnen der Gegenwart und der Vergangenheit gezeigt. Frauen wie Julie Wolfthorn (gest. 1944), Charlotte Berend-Corinth (gest. 1964), Marg Moll (gest. 1977), Maria Slavona (gest.1931), Gertrud Spitta (gest. 1967) und Doramaria Purschian (gest. 1972) waren in ihren Lehr- und Aktivphasen einem Zeitgeist von Vor-Vorgestern unterworfen, der uns heute den Kopf schütteln lässt.

Künstlerinnen jener Generation konnten bis 1919 nur an Privatschulen studieren, bevor die Königliche Kunstakademie in Berlin auch Frauen aufnahm.

Doch nicht nur das Jubiläum meint die Ausstellung „Klasse Damen!“. Künstlerinnen bekannter zu machen, ist auch noch heute ein Thema. Und so zeigt das Schloss Biesdorf  auch Positionen zeitgenössischer Künstlerinnen wie Alke Brinkmann, Ute Weiss Leder, Birgit Bellmann, Ines Doleschal und anderer.

 

Freundlich interessieren, zum objektbezogenen Sehen anregen und Wissen beisteuern, das hat sich das Kunstvermittlungs-Projekt Labor M auf die Fahne geschrieben. Auch die aktuelle Ausstellung verstehe, wer will und gerne möchte! Kommen, schauen und hören kann tatsächlich jeder, auch ohne Vorbildung. Im Rahmen einer solch kurzweiligen Führung wurde die Malerin Hannah Höch (1889-1978) vorgestellt. Von den Nazis als „Kulturbolschewistin“ bezeichnet, zeigt  ihr Bild „Deutsches Mädchen“ das Gegenteil vom damaligen Klischee des blauäugigen, brav und blond bezopften Weibchens.

 

Das heutige Verständnis der Emanzipation der Frau wirkt oft schon glorifizierend. Die Frage: „Sind Frauen durchweg Super-Heldinnen?“ mag sich die zeitgenössische Künstlerin else (Twin) Gabriel gestellt haben. Intensiv setzte sie sich mit dem Phänomen der Rechtsextremistin Beate Zschäpe auseinander und berührend zeigt ihre Installation die dunklen Seiten einer Mutter, die am Ende die eigene Tochter als Werkzeug benutzt.

 

Ob direkt aus unserem Bezirk, aus Hoppegarten, Wilmersdorf, Lankwitz oder Neukölln – Gäste aus allen Himmelsrichtungen werden von den Begleitern des Labor M durch die Ausstellung geführt. Im Anschluss daran wird Besuchern immer auch eine bildnerische Runde angeboten, um selbst krea(k)tiv zu werden.

 

Von  Laien und Fachleuten wird die Exposition „Klasse Damen!“ als derart gelungen empfunden, dass sie bereits für andere Ausstellungsorte angefragt wurde. Entwickelt worden war sie von dem Trio Ellen­ Kobe, Ines Doleschal und der künstlerischen Leiterin des Schlosses, Karin Scheel.

Einen „rauschenden Entwicklungsweg“ nennt Karin Scheel das Geschehen in der fein restaurierten Turmvilla, nachdem 2018 die Grün Berlin GmbH sich als Park- und Schlossbetreiber nach kurzer Zeit verabschiedet hatte. Nunmehr gehört das Schloss zu den rund 30 kommunalen Kunstgalerien in Berlin und mit guten Konzepten werden Besucher angelockt wie Bienen von einer prächtigen Blüte. Da sind der herrliche Park, das schnuckelige Café und über zwei Etagen Exponate, zu denen sich bewegte Gäste äußern, zum Beispiel so: „Toll!“ „Wusste ich gar nicht!“ Oder: „Geht ja gar nicht!“ – Die Dame namens Kunst hat viele Gesichter; „schön” ist nur eines davon. Wenn Kunst auf den Betrachter hässlich und abstoßend wirkt, erzeugt sie meistens nur eine Auseinandersetzung mit dem, was in der Welt ist.

 

An allen Ein- und Ausgängen, befinden sich Sensoren für eine haargenaue Besucherzählung. Diese Tausender belegen die Betriebsamkeit: März 8.000, April 6.800, Juli 9.900. Das Biesdorfer Blütenfest  ging vom 30. Mai bis zum 2. Juni, deshalb schnellten zu der Zeit auch die Schloss-Besucherzahlen in die Höhe: Mai über 18.000, Juni 15.000. – Glückwunsch, altes Haus! Und Glückwunsch an alle, die sich früher wie heute für ein Schloss Biesdorf einsetzten, das für jeden offen steht. Übrigens: Für Park und Schloss muss kein Eintritt gezahlt werden. Ebenso kostenfrei sind die Veranstaltungen des Labor M.