Wunder-bare Kiezkultur

Einfach machen! – Diesmal mit dem Kulturschaffenden Lutz Wunder

Wunder-bare Kiezkultur

In unserer Serie „Einfach machen!“ stellen wir Menschen vor, die unseren Bezirk mit Tatendrang und Innovation vorangebracht haben. Lutz Wunder (72) hat sich für Kultur im Kiez eingesetzt und tut dies noch heute. Unter anderem prägte er maßgeblich das Profil des Kulturforums Hellersdorf, dessen Nutzer und Betreiber der Kulturring in Berlin e.V. war – und wieder sein möchte. Lutz Wunder wohnt in Marzahn, hat vier Enkel, liebt internationale Küche und pflegt teils aufwendige Hobbys.

 

Wie fand der Kulturring in Berlin e.V. nach Hellersdorf?

Der Impuls kam von der damaligen Leiterin des Hellersdorfer Kulturamtes, Erika Großmann. Sie sprach uns einfach an und so sind wir seit 1994 hier aktiv. Bis zum Jahr 2003 war der Kulturring im Kulturforum (Carola-Neher-Straße) nur zu Gast, bevor er dann Träger der Einrichtung wurde. Das Haus wird seit Anfang März 2018 umfangreich saniert. Hierfür musste es aber schon Ende 2017 geschlossen werden. Der Fertigstellungstermin wurde verschoben, die Arbeiten ziehen sich bis zum Frühjahr/Sommer 2020 hin. Somit wird an diesem Ort der Kulturbetrieb zweieinhalb Jahre lang ausgesetzt worden sein – zu lange, denn bis dahin hat sich auch das Stammpublikum verloren!

 

Wird Ihr Verein das sanierte Kulturforum weiterbetreiben?

Es wird natürlich ein Interessenbekundungs-Verfahren geben, aber ob der Kulturring das Haus wieder übernehmen wird, ist derzeit noch offen. Auch im Vereinsvorstand auf Berliner Ebene fragt man sich, was eigentlich los ist. Selbst mir als einem Marzahn-Hellersdorfer Bürgerdeputierten bleibt verschlossen, was die Verwaltung eventuell daran stört, dass der Kulturring die Arbeit von 24 Jahren in der Carola-Neher-Straße wieder aufnimmt. Ehrlich gesagt, scheint der Kulturring irgendwie übersehen zu werden. Das tut weh, denn wir haben uns im Bezirk umfangreich engagiert, standen immer als verlässlicher Partner zur Verfügung. Aber vielleicht kommt ja doch noch Bewegung in die Sache, jedenfalls freue ich mich über das Gesprächsangebot­ von Kulturstadträtin Juliane­ Witt.

 

Was hat Sie verunsichert?

Es geht damit los, dass wir kaum Unterstützung für die Gewinnung von Personal erhalten. Vom Bezirksamt­ werden sogar Befürwortungen von Maßnahmen verweigert, die den Bezirk kein Geld kosten. Derzeit wären es zu wenige Kräfte für einen Start im Jahr 2020.

 

Irgendeine Idee, was los ist?

Ich tippe auf persönliche Befindlichkeiten, ja wirklich: Befindlichkeiten vermutlich zwischen Personen vom Amt und dem Träger. Inoffiziell wird übrigens behauptet, der Kulturring habe einige tausend Euro für das Kulturforum, die sanierungsbedingt übrig waren, nicht für das Berliner Tschechow-Theater übernehmen wollen. (Das Theater­ ist ebenfalls eine Einrichtung des Kulturrings.) Solche Verdächtigungen müssen ausdiskutiert und eine Transparenz hergestellt werden. Doch die gute Nachricht ist, dass wir uns für den Haushaltsplan 2020/21 bewerben können.

 

Wie erobert der Verein „sein“ Kulturforum zurück?

Mit über 70 bin ich längst in Rente­, aus dem Tagesgeschäft bin ich also raus. Doch mein Herz schlägt noch immer für die Kiezkultur im Bezirk und dem Verein werde ich helfen. Wir werden gemeinsam versuchen, ein Konzept zu erstellen, an dem kein anderer Bewerber vorbeikommt.

 

Wie lange schon arbeiten Sie in der BVV mit?

Meine Arbeit als Bürgerdeputierter in der BVV begann etwa zeitgleich mit der „Ankunft“ des Kulturrings in Hellersdorf. Zwischendurch war mal Pause. Aber ganz ehrlich, aus Erfahrung darf ich sagen, dass man als Bürgerdeputierter kaum etwas bewirken kann. Auf anderen Feldern bieten sich da mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

 

Der Kulturring war immer gut vernetzt, macht das den Erfolg?

Ja, ganz klar. Lange bevor das Netzwerken zum Schlagwort wurde, waren wir aktiv - für Kultur im Kiez mit Qualitätsanspruch. Allein unsere­ projektbezogenen Kooperationen, zum Beispiel mit Hellersdorfer Schulen, dem Gründerzeitmuseum Mahlsdorf und dem Heimatverein, brachten interessante­ Projekte, Veranstaltungen und Eventserien hervor. Es gab mal eine Zeit, da waren wir in vielen bezirklichen Gremien präsent. Mir fehlte heute ein Gremium wie der frühere Kulturbeirat, in dem Probleme und Ideen angesprochen und ausdiskutiert wurden. Aktuell streben übrigens der Kulturrring und der Verein Freunde für Schloss Biesdorf eine gegenseitige Mitgliedschaft an, das wird für beide Seiten nützlich sein.

 

Die Liste der Kulturarbeit ist lang! Was davon war wichtig?

Für jeden Besucher sind natürlich die eigenen Interessen wichtig – ob Tanztee oder Kulturkonferenz, ob Chorabend, Salon­ oder Theater-Treffen. Zu den übergreifenden Ereignissen zähle ich die Hellersdorfer Kulturkonferenz 1994, denn sie diente der Neuorientierung im damals noch sehr jungen Bezirk Hellersdorf. Sie beschäftigte sich mit dem Kulturverständnis hier am Rande der Stadt, denn schließlich ist Marzahn-Hellersdorf nicht die Berliner City. Auch heute noch geht es um die Frage, was wir „hier draußen­“ leisten sollen, wollen und können. Im Mittelpunkt einer weiteren Kulturkonferenz, 1998 in Marzahn, standen kulturpolitische Verwaltungsaufgaben.

 

Benutzen Sie das Wort „Schlafstadt“ für unseren Bezirk?

Nein. Wer Kultur und Freizeitangebote sucht, der findet in Marzahn-Hellersdorf immer etwas. Da braucht er nur den Kulturkalender des Kulturrings zur Hand zu nehmen.

 

Und immerhin betreibt Ihr Verein­ hier ein Theater!

Das bereits erwähnte Tschechow-Theater in Marzahn (Märkische Allee 410) hat in der Vergangenheit überwältigende Erfolge gefeiert. Derzeit allerdings muss die Leiterin­ mit 16 Stunden pro Woche den Betrieb aufrecht erhalten. Damit kann aber das Projekt nicht leben und nicht sterben.

 

Herr Wunder, welche Projekte machen Sie besonders stolz?

Stolz bin ich auf viele, ganz unterschiedliche Projekte. Zu den Glanzlichtern zählen die Soireen im Gutshaus Mahlsdorf, die Literaturfeste­, Veranstaltungen mit Siggi Trzoß oder Lukas Natschinski­ – am regelmäßigsten steppte der Bär natürlich im Kulturforum. Namhafte Persönlichkeiten waren zu Gast – einerseits. Andererseits fand eine sehr differenzierte Kiezkulturarbeit­ statt. Beispielsweise trafen sich viele Jahre lang zwei Chöre, die auch an offenen Mitsing-Veranstaltungen beteiligt waren. Stark besucht­ war mehr als fünfzehn Jahre lang der Helle Salon unter Leitung­ von Alina Pätzold­ (?) oder die vielen Veranstaltungen von Natalija­ Sudnikovic. Eine andere ganz wichtige Sache war, dass Gruppen und Ensemble des Vereins an unterschiedlichsten Orten des Bezirks arbeiteten. Und hier, an dieser Stelle, möchte ich mich auch ausdrücklich bei allen Mitstreitern für ihr großes Engagement bedanken!

 

Was hat Sie persönlich zur Kulturarbeit an der Basis gebracht?

Lediglich ein Bauchgefühl! Ich spazierte eines Tages in das Kreiskulturhaus Lichtenberg hinein und fragte nach einem Job, ohne zu wissen, was mich erwarten könnte. Der Chef stellte mich sofort ein und entsandte mich zum Schloss Biesdorf, damals Außenstelle des Kreiskulturhauses. Zu der Zeit gehörten die Siedlungsgebiete Biesdorf, Kaulsdorf und Mahlsdorf noch zum Bezirk Lichtenberg.

 

Sie hatten wirklich keine Ahnung?

Nun, ich hatte gerade meine Lehre beendet. Auf Druck meines Vaters war ich Elektromonteur geworden, trotz meiner „zwei linken Hände“. Abi machte ich abends an der Volkshochschule und 1982 beendete ich ein Fernstudium Kulturwissenschaften.

 

Wie erlebten Sie die Wende?

Mit der Kiezkulturarbeit konnte ich im Grunde ohne Unterbrechung weitermachen. Doch die Biografie-Brüche vieler Mitstreiter im Kulturbereich waren für mich schockierend. So gab es im Kulturbund Berlin eine Vielzahl beschäftigter Rentner, die mit Leib und Seele dabei waren und von einem Tag auf den anderen nach Hause mussten.

 

Herr Wunder, sind Sie selbst kiezkulturbegeistert?­

Ich lese gern, gehe ins Kino und ins Theater. Im Bezirk besuche ich einige Veranstaltungen, zum Beispiel den Tag der offenen Gärten. Und die ganze Stadt Berlin nutzen meine Frau und ich als kulinarisches Reiseland, denn wir lieben die Vielfalt der Küchen aus aller Welt. 

 

Als Rentner haben Sie ja Zeit.

Ich bin noch fit und kann mich einbringen. Vor einigen Jahren stürzte ich mich in ein neues Hobby. Als ich begann, die Geschichte meiner Familie aufzuarbeiten, ahnte ich aber noch nicht, wieviel Zeit das frisst.

 

Herr Wunder, „Die Hellersdorfer“ wünscht Ihnen noch viele glückliche, erfolgreiche Jahre!

 

Gespräch: Ute Bekeschus