Eine Stütze in besonderen Lebenslagen

Der Verein "Mittendrin leben" feiert 25-jähriges Bestehen

Eine Stütze in besonderen Lebenslagen

Angefangen hat alles ganz klein mit Betreutem Einzelwohnen für sechs psychisch kranke Erwachsene. Heute ist der Verein „Mittendrin leben“ eine Institution im Bezirk und mit seiner Vielzahl an Angeboten und Projekten aus der Marzahn-Hellersdorfer Soziallandschaft nicht mehr wegzudenken. Menschen in schwierigen Lebenslagen werden von „Mittendrin“ aufgefangen und unterstützt. 

Der Verein macht sich für die Interessen seiner Klienten stark, gibt ihnen Struktur, Aufgaben und das Gefühl, gebraucht zu werden.

Am 31. August feiert Mittendrin 25-jähriges Bestehen. Im Interview verrät Geschäftsführerin Ursula Gobes der „Hellersdorfer“ nicht nur Einzelheiten zur großen Geburtstagssause. Die Diplom-Psychologin blickt auch auf die Anfangsjahre zurück und spricht über neue Vorhaben.

 

Die große Jubiläumsparty steht vor der Tür. Was ist geplant?

Wir feiern dieses Jahr in unserem Stadtteilzentrum in Kaulsdorf gemeinsam mit Klienten, Mitarbeitern und Ehrenamtlichen, Kooperationspartnern und Wegbegleitern. Auch die lokale Politprominenz hat sich angekündigt – von Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters bis zu Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Nach dem offiziellen Festakt soll im Garten eine bunte Party für alle steigen. Wir erwarten um die 300 Gäste. Es kann geplaudert, geschlemmt und getanzt werden. Ein Udo-Lindenberg-Double wird für Stimmung sorgen. Beim Mittendrin-Quiz gibt es tolle Preise zu gewinnen und wir lassen Luftballons mit guten Wünschen in den Himmel steigen. Außerdem zeigen wir anlässlich des 20. Geburtstags unserer Vereinszeitung „Mitwisser“ einen kleinen Film.

 

Warum haben Sie vor 25 Jahren einen Verein gegründet, der sich um die Belange psychisch kranker Menschen kümmert?

Wir wurden nach der Wende einfach gebraucht. Von einem Tag auf den anderen brachen für Menschen mit psychischen Erkrankungen vertraute Strukturen komplett weg. Anders als im Westen waren viele Betroffene in der DDR in regulären Betrieben tätig. Plötzlich standen sie ohne Arbeitsplatz da. Auch soziale Kontakte und Begegnungsmöglichkeiten gingen zusehends verloren. Wir haben ihnen eine Anlaufstelle geschaffen.

 

Heute hat Mittendrin ein riesiges Netz von Beratungs- und Betreuungsangeboten über den kompletten Bezirk gespannt.

Diese Entwicklung war nicht abzusehen. Gestartet sind wir nur mit einem Briefkasten, auf dem unser Vereinsname stand – und zwar bei Kids & Co am Hultschiner Damm 200. Gewerberäume waren Anfang der 90er Jahre Mangelware. Unser erstes Büro haben wir in einer unvermietbaren Dreiraumwohnung in der Martin-Riesenburger-Straße eingerichtet. Dort spielte sich alles ab: der Zuverdienstbereich, Angebote zur Tagesstrukturierung, die Büroarbeit und Buchhaltung. Mitunter mussten sich zwei Mitarbeiter einen Stuhl teilen. Obwohl wir die Bedingungen schon als grenzwertig empfanden, denken langjährige Klienten noch immer gern an diese Zeit zurück. Jeder kannte jeden. Das war halt ein ganz enges Miteinander.

 

Es gibt also tatsächlich Klienten, die schon 25 Jahre dabei sind?

Viele sind sehr krank, wenn sie zu uns kommen und bleiben dementsprechend auch lange. Das heißt aber nicht, dass sie keine Fortschritte machen. Der Chef unserer Reinigungstruppe ist so ein Positiv-Beispiel. Als er zu uns kam, ging es ihm sehr schlecht. Jetzt hat er sich gefangen und ist nicht mehr in der Betreuung. Er geht bei uns einem Job nach – wenn auch unter geschützten Bedingungen – und leitet andere Leute an. Seine Frau hat er übrigens auch bei Mittendrin kennen und lieben gelernt.

 

Psychische Erkrankungen nehmen zu. Fühlen Sie sich mehr gebraucht denn je?

Wir registrieren auf jeden Fall, dass bestimmte Gruppen größer werden. Immer häufiger bekommen wir es mit jungen Menschen zu tun, die ohne Ausbildung sind, nichts lernen wollen und keine Ziele für sich und ihre Zukunft haben. Alkohol und Drogenkonsum führen dann häufig zur Entwicklung von psychischen Störungen oder Suchterkrankungen. Außerdem macht sich die Verdrängung aus der Innenstadt bemerkbar. Es sind in den vergangenen Jahren viele Menschen in den Bezirk gekommen, die sich ihre Wohnung in der City nicht mehr leisten konnten. Einige von denen kämpfen mit einer Vielzahl von Problemen – auch psychischer Natur.

 

Was waren wichtige Meilensteine in der Vereinsgeschichte?

Um die Tagesstätte haben wir sehr lange gekämpft. Dort werden Menschen nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie wieder fit für den Alltag in den eigenen vier Wänden gemacht.

Besonders stolz sind wir auch auf unsere Gemeinwesenarbeit. Sie richtet sich nicht nur an Menschen mit Einschränkungen. Die beiden Stadtteilzentren und auch der „Garten der Sinne“ sind Orte, wo Integration und Inklusion tatsächlich gelebt werden, wo unsere Klienten den Nachbarn aus dem Kiez begegnen und Barrieren zwischen „Gesunden“ und psychisch Kranken abgebaut werden.

 

Ihr Verein ist sehr umtriebig. Können Sie nach Feierabend überhaupt abschalten?

Nein, aber das empfinde ich nicht als Last. Mir geht eigentlich immer etwas im Kopf rum. Ganz häufig sprudeln die Ideen bei der Gartenarbeit aus mir heraus.

 

Was würden Sie denn gern noch auf den Weg bringen?

Unsere Klienten träumen von einem Trip nach Florida. 2017 sind wir gemeinsam nach New York gereist und das war großartig. Viele zehren heute noch davon. Außerdem soll es ein paar Neuerungen im „Garten der Sinne“ in Mahlsdorf geben. Und wir wollen uns verstärkt den neuen Medien öffnen. Zum Beispiel spielen wir mit dem Gedanken, ein Format für Youtube zu entwickeln, über das wir Aufklärungsarbeit leisten. Klienten mit bestimmten Krankheitsbildern wie einer Schizophrenie oder einer Manischen Depression könnten in den Videos von sich erzählen und so der Öffentlichkeit ihre Krankheit ein Stück weit näherbringen.