Berufstätige Frauen in Kaulsdorf um 1900
Mehr als nur Heimchen am Herd
Dass Frauen einen Beruf ausüben, ist in Deutschland heute eine Selbstverständlichkeit. Auch wenn es in der Arbeitswelt zwischen den Geschlechtern weiterhin Unterschiede gibt, stehen Frauen mittlerweile alle Türen offen: Sie können Ärztinnen, Wissenschaftlerinnen, Bauarbeiterinnen, Richterinnen und sogar Bundeskanzlerin werden.
Vor nicht allzu langer Zeit sah das ganz anders aus. So mussten Frauen in der Bundesrepublik bis 1977 ihren Ehemann um Erlaubnis bitten, wenn sie eine Arbeitsstelle annehmen wollten.
In ihrem Beitrag „Frauen in Kaulsdorf nach 1900“ befasst sich die Ortschronistin Karin Satke mit starken Frauen, die mehr als nur die ihnen gesetzlich vorgeschriebene Rolle des braven Heimchens am Herd ausfüllen wollten oder konnten. Der Artikel ist in der kürzlich herausgegebenen Broschüre des Marzahn-Hellersdorfer Heimatvereins zum Thema „Frauengeschichte(n)“ erschienen.
Zu den ersten Frauen, die in Kaulsdorf nachweislich gewerbsmäßig tätig waren, gehörten Maria Dorothea Waldow, das Kindermädchen Fräulein Kannewurf und die Witwe Dorothea Friederike Hoffmann. Maria Dorothea Waldow aus der Dorfstraße 8 erhielt 1824 im Alter von 31 Jahren einen Gewerbeschein und zog mit Backwaren und anderen Lebensmitteln von Haus zu Haus. Fräulein Kannewurf verkaufte ab 1839 Bücklinge und Obst im Hamannschen Dorfkrug an der Frankfurter Straße (heute Alt-Kaulsdorf 23-29). Und Dorothea Friederike Hoffmann aus der Dorfstraße 27 pachtete als Zwischenhändlerin Milch von Kaulsdorfer Bauern, um diese dann täglich in der Stadt zu verkaufen. Auch Alice Leske gehört zu dieser Riege starker Frauen. Sie war 1910 die erste festangestellte Lehrerin an der Kaulsdorfer Schule und unterrichtete das Fach Handarbeit.
Zu jener Zeit konnten Töchter und Ehefrauen ohne die Genehmigung des Vaters oder Ehepartners weder einen Beruf erlernen noch eine Berufstätigkeit aufnehmen. Oft hatten sie nur bis zur Verheiratung eine bezahlte Arbeit. Ehefrauen verpflichtete das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 zu „Arbeiten im Hauswesen und im Geschäft des Mannes“. Gerade aber in der Gastronomie arbeiteten sie oft nicht nur an der Seite ihrer Gatten, sondern leiteten die Gastwirtschaft häufig auch selbst. Während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) nahmen dann viele Frauen den Arbeitsplatz ihrer Männer ein.
In den ersten Jahren der Weimarer Republik kam die politische und berufliche Tätigkeit von Frauen allmählich in Schwung. Doch die überwiegende Zahl war in schlechten Lohnverhältnissen beschäftigt und nur wenige hatten eine Ausbildung durchlaufen. Eine dieser Ausnahmen bildete Minna Erb, die nach ihrer Lehre an der Charité ab 1918 die zuständige Hebamme für Kaulsdorf war. Etwa seit 1926 praktizierte sie im eigenen Haus in der Auguststraße 29.
Das wirtschaftliche Leben des Bezirks viele Jahre mitgeprägt hat Frieda Hirsekorn. Die Kaulsdorferin wurde 1928 in die Chefetage der Märkischen Wachsschmelze aufgenommen. Als dem Juden Otto Rechnitz von den Nazis 1933 der Zutritt zur eigenen Firma verwehrt wurde (siehe auch „Kalenderblatt“, Seite 14), gab er die Unternehmensleitung in die Hände seiner Prokuristin. Frieda Hirsekorn führte als alleinstehende Frau – sie hatte sich 14 Tage nach ihrer Heirat wieder scheiden lassen – und unangefochtene Chefin den mittelständigen Betrieb unbeirrt über alle politischen Klippen bis zu ihrem Tod im Jahre 1970.
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„Frauengeschichte(n)“, Preis: 7 €, erhältlich in der Kaulsdorfer Buchhandlung (Heinrich-Grüber-Straße 9), der Buchhandlung Petras (Fritz-Reuter-Straße 12), dem Bezirksmuseum (Alt-Marzahn 51) und über Frau Schuricht, T. 51 70 07 17
Foto: Berlin-Archiv Satke/Matalla